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#bullet #jake #one #rango #rattlesnake
Published: 2015-02-02 13:54:56 +0000 UTC; Views: 703; Favourites: 0; Downloads: 0
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Description
6. One bullet„Sie haben es geschafft!"
Alle Arbeiter jubelten, als Rango mit großer Mühe den Staudamm hochgeklettert kam. Oben angekommen erwarteten ihn die ganzen Arbeiter.
„Sie sind wirklich der Größte!", begann der Erste und schüttelte ihm heftig die Hand.
„Ja! EIN HOCH AUF RANGO!"
„Hipp, hipp, hurra!"
Alle stimmten in den Jubel mit ein.
Einige hoben Rango auf ihre Schultern und warfen ihn immer wieder hoch in die Luft.
Doch die Jubelrufe und Gratulationen zogen an Rango vorbei, wie ein tonloser Film.
Als die Arbeiter ihn endlich wieder auf den Boden absetzten, war er immer noch völlig geistesabwesend.
„Mister Rango!", rief Mister Wheeler. „Sie haben uns und der ganzen Bevölkerung einen großen Dienst erwiesen. Sie sind wirklich ein großer Held."
Betroffen schaute Rango zu Boden.
„Aber ihr Staudamm ist kaputt", flüsterte er traurig.
„Das macht doch nichts. Hauptsache ich habe eine große Sorge weniger. Hey! Nun schauen Sie nicht so betrübt. Der Schurke hat es verdient."
Rango hob den Kopf und starrte ins Leere. „Ja, das hat er", murmelte er leise.
„Und alles mit nur einer Kugel", meldete sich ein Arbeiter. „Wie damals, als Sie die Jenkins Brüder erlegt hatten."
In diesem Moment hatte Rango das Gefühl in Tränen auszubrechen.
Hastig verließ Rango die jubelnde Menge. Das Angebot, ihm zu Ehren eine Feier zu geben, lehnte er entschieden ab. Mit Überredungskunst konnte er Mister Wheeler dazu überreden ihn frühzeitig gehenzulassen, da er seinen Schutz nicht mehr länger benötigte.
„Bescheiden unser Held, bescheiden, bescheiden", hatte er Mister Wheeler noch reden hören.
Kaum saß Rango auf seinem Roadrunner, ritt er eilig davon. Er wollte nur weg. Weg von diesem Ort, weg von der jubelnden Menge.
Nachdem er weit genug gekommen war, verlangsamte er das Tempo des Roadrunners und setzte im bedächtigen Schritt seinen Weg Richtung Dreck fort. Die Dämmerung brach an und die Sonne, die sich langsam dem Horizont zuneigte, verbreitete eine unangenehme Kälte.
Schweigend starrte Rango vor sich hin. Trauer malte sich auf seinem Gesicht ab und ein unendliches Schuldgefühl machte sich in seinem Magen breit. Noch von weitem hörte er die Jubelrufe, doch Rango war völlig in sich gekehrt. Zögernd hielt er seinen Roadrunner an.
Eine Weile verharrte er in dieser Position. Schließlich konnte er nicht mehr länger an sich halten und begann ohne Hemmungen zu weinen. Zuerst leise, dann wurde aus seinem Schluchzen ein Wehklagen.
Er konnte es nicht glauben. Er hatte ihn erschossen. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er jemanden erschossen. Ausgerechnet ihn, den größten Killer des ganzen Westens!
Sollte er als Sheriff nicht darüber froh sein? Als Sheriff vielleicht, aber als normales Wesen… und außerdem, er wollte es doch gar nicht.
Er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen und über seine Wangen liefen. Für einen Moment hatte er das Gefühl nie wieder aufhören zu können.
„Würdest du wirklich?"
Er hatte es getan! Aber er wollte das doch nicht. Oder doch? Nein!
Rango merkte, wie der Roadrunner, auf dem er saß, unruhig wurde.
Schnell stieg er ab und setzte sich auf einen Felsen. Dort ließ er seinen Tränen weiter ihren freien Lauf.
Nach einer Weile hatte er nicht mehr die Kraft weiter zu weinen. Nachdem er sich etwas beruhigt hatte, wischte er sich mit dem Ärmel übers Gesicht, das ganz salzig schmeckte. Er angelte nach seinem Taschentuch und schnäuzte sich mehrere Male. Dann atmete er mehrere Male tief durch. Langsam wurde er ruhiger. Dann starrte er nur noch vor sich hin und versuchte seine Gedanken wieder zu ordnen. Aber in seinem Kopf herrschte das reinste Chaos.
Wie konnte das nur passieren?
Mit noch etwas zittrigen Fingern holte er seinen Revolver hervor und schob das Magazin mehrere Male raus und rein, immer auf die leere Stelle starrend, wo zuvor die erste Kugel drin gewesen war.
„Alles mit nur einer Kugel."
„Ja", murmelte er. „Nur eine Kugel."
Irgendetwas war nicht richtig.
„Wäre das dein Dank?"
Wieder stiegen ihm die Tränen in die Augen, konnte aber noch im letzten Moment einen erneuten weinerlichen Krampf unterdrücken. Stumm lauschte er in die Stille. Der Wald um ihn herum versank in dunklen Farben und schien seiner Trauer zu lauschen.
Rango wusste nicht, wie lange er dort saß. Erst als die Sonne ihre letzten Strahlen warf und hinter den Hügeln verschwand, hob er den Kopf. Ein Tag ging zu Ende und mit ihm ein Leben.
Rango seufzte. In Augenblicken wie diesen, wurde ihm bewusst, wie vergänglich das Leben war. Aber dass ausgerechnet er dieses Leben beendet hatte…
Wieder starrte er auf seinen Revolver.
Dabei hatte er Jake nur `Danke´ sagen wollen und nun, nun konnte er das nicht mehr.
In diesem Moment kam sich Rango wie ein Verbrecher vor. Obwohl… Jake war derjenige, der daran schuld gewesen war. Hätte er keinen Mord verüben wollen, dann wäre es nie soweit gekommen. Rango hatte sich in diesem Fall also völlig korrekt verhalten. Ihm traf keine Schuld…
Rango hielt sich an den Kopf. Wieder rasten seine Gedanken, wie auf einer Achterbahn, was ihn völlig nervös machte. Noch mehr Stress konnte er heute unmöglich verkraften.
Trotzdem, selbst wenn es nicht seine Schuld gewesen war, so fühlte er sich dazu verpflichtet für Jake noch etwas zu tun. Und er wusste auch ganz genau was.
Nachdem er noch mal einen tiefen Atemzug genommen hatte, stand er auf, wischte sich noch mal mit seinem Ärmel übers Gesicht und ging zu seinem Roadrunner. Dort stieg er auf und machte kehrt.
Er wollte ihn wenigstens noch bestatten. Zumindest das war er ihm schuldig.
Langsam und völlig in sich zusammengesunken, ritt Rango flussabwärts am Flussufer entlang. Anders als beim Staudamm verlief das Ufer hier nicht steil, sondern flach und war übersät mit Geröll, Steinen und Felsen in jeder Größe. Er musste mehrere Male höllisch aufpassen, dass sein Roadrunner nicht über die losen Steine stolperte.
Mit Unbehagen ließ Rango seinen Blick über den Fluss wandern. Der Gedanke, Jakes Leiche zu sehen, bereitete ihm Magenschmerzen. Tapfer sah er sich immer wieder nach einer treibenden Leiche um oder zumindest das wie Jake aussah. Doch alles was er fand, waren angeschwemmte Holzplanken vom Staudamm, die überall im Fluss verstreut lagen.
Einige trieben noch ziellos im Wasser und erweckten den Eindruck, als hätte irgendwo ein Schiff Schiffbruch erlitten.
Müde rieb sich Rango die Augen. Es würde nicht mehr lange dauern und die Nacht würde anbrechen. Angestrengt sah Rango weiter flussabwärts. Doch von Jake war weit und breit nichts zu sehen.
Als er die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, fiel sein Blick auf den Boden. Sofort hielt er an. Der Boden war nass, obwohl hier kein Wasser floss. Schnell stieg er ab und fühlte auf den Boden. Eindeutig. Es war noch nicht mal zu lange her. Irgendetwas Großes war aus dem Wasser ans Ufer gekrochen. Suchend sah er sich um.
Im schwachen Dämmerlicht erkannte er auf einem Felsen einen dunklen Fleck. Kurz entschlossen ging er darauf zu. Der Fleck kam ihm seltsam vor. Vorsichtig strich er mit der Hand darüber. Es fühlte sich etwas feucht an, war aber schon fast trocken. Er leckte seine Finger an und strich erneut über den Fels. Als er seine Hand wieder zurückzog, war sie ebenfalls etwas dunkel gefärbt.
Rango schnupperte.
Es war Blut.